Nießbrauchsrecht – Einfach erklärt
Immer mehr Senioren interessieren sich für die Thematik der Immobilienverrentung mit Nießbrauchsrecht, der Immobilienverkauf zu Lebzeiten mit lebenslangem Wohnrecht im gewohnten Zuhause. Das Konzept nimmt hierzulande verstärkt an Fahrt auf. Insbesondere deshalb, weil es Senioren im Alter 65+ immense Vorteile für den finanziell unabhängig und mit bestmöglicher Sicherheit gelebten goldenen Lebensabschnitt bieten kann. Schauen wir uns an, was Nießbrauch überhaupt bedeutet:
Die wichtigsten Fachbegriffe der Verrentung einfach erklärt – eine verständliche Übersicht für jeden.
Weitere Definitionen & Erklärungen
Was ist ein Nießbrauchsrecht?
Gesetzlich formuliert ist der Niessbrauch im BGB. Das Bürgerliche Gesetzbuch benennt mit dem Nießbrauch eine weitere Konstruktion, mit der Personen umfangreich auf eine Immobilie zugreifen können. Der Nießbrauch ist ein sehr umfangreiches Recht. Im Kontext von Immobilien bedeutet Nießbrauch, dass der Nießbrauchnehmer in einer Immobilie nicht nur wohnen, sondern diese auch vermieten oder verpachten kann. Komplizierter ausgedrückt: Indes die Immobilie einer anderen Person gehört, hat der Nießbraucher die Möglichkeit, alle Nutzungen aus der Sache zu ziehen.
Wann erlischt ein Nießbrauchsrecht?
Grundsätzlich darf derjenige, der einen Nießbrauch auf eine Immobilie hat, die Immobilien nutzen – bewohnen, vermieten oder verpachten – bis der Nießbrauch endet. Üblicherweise bis zum Lebensende. Der Nießbrauch wird beim Verkauf der Immobilie in einem notariellen Vertrag dokumentiert und im Normalfall an erstem Rang im Grundbuch eingetragen.
Die große Sicherheit für die Verkäufer – und damit ehemaligen Eigentümer – resultiert daraus, dass der Nießbrauch seitens des Verkäufers unkündbar ist. Selbst wenn das Objekt weiterveräußert wird, beispielsweise der Käufer in wirtschaftliche Schieflage gerät, ändert sich an dieser Tatsache nichts. Das Nießbrauchrecht bleibt auch in der dann neuen Konstellation unangetastet.
Übergang an den Verkäufer mit Ende des Nießbrauchsrecht
Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle erwähnt, dass es neben dem Standard-Nießbrauch weitere Varianten gibt, etwa den nachrangigen Nießbrauch, den Bruchteils-Nießbrauch, Vorbehaltsnießbrauch, Zuwendungsnießbrauch oder Quotennießbrauch. Ob mit einem dieser Konstrukte vom üblichen Nießbrauch abgewichen wird, ist Teil der konkreten Vereinbarung zwischen Verkäufer und Käufer der Immobilie.
Wissen muss man, dass das Nießbrauchrecht von Ausnahmen abgesehen – dem nachrangigen Nießbrauch – nicht an Dritte übertragen werden und auch nicht vererbt werden kann. Vor diesem Hintergrund ist das Ende des Nießbrauchs nicht auf ein konkretes Datum, stattdessen auf ein Ereignis festgelegt, nämlich den Tod des Nießbrauchers. Tritt dieses Ereignis ein, endet der Nießbrauch, wird demnach auch im Grundbuch gelöscht; das Objekt geht komplett an den neuen Eigentümer über.
Rechte und Pflichten von Nießbrauchnehmer und Nießbrauchgeber
Der Nießbrauch selbst ist ein Recht, durch das dem Nießbraucher wiederum Rechte eingeräumt werden. Abgeleitet davon wird demnach zunächst das Recht, die Immobilie zu bewohnen, sie zu vermieten, zu verpachten oder sonstigen Nutzen aus ihr zu ziehen. Eine Auslegung, mit der sich der Nießbrauch vom Wohnrecht maßgeblich unterscheidet. Tatsächlich ergeben sich aus dieser umfangreichen Rechteauslegung zugleich Pflichten.
Vom ehemaligen Eigentümer zum nutzungsberechtigen Bewohner
Wird das Eigenheim oder die Eigentumswohnung per Immobilienverrentung mit eingetragenem Nießbrauch veräußert, wird der ehemalige Eigentümer zum nutzungsberechtigen Bewohner, der Käufer wird zum Eigentümer und zugleich Nießbrauchgeber. Vergleichbar mit dem normalen Mieter-/Vermieterverhältnis, ist der Bewohnende der Immobilie dazu verpflichtet, das Objekt im üblichen Rahmen instand zu halten; kleinere Reparaturen etc. müssen demnach weiterhin eigenständig vorgenommen bzw. beauftragt werden.
Wer trägt welche Kosten?
Übliche Instandhaltung und Verbrauchskosten trägt der Nießbrauchnehmer als wirtschaftlicher Eigentümer
Praktisch bedeutet das, dass er die Immobilie erhalten und ordnungsmäßig bewirtschaften muss. Zudem muss er das Objekt versichern. Sollten kostenintensive Reparaturen anfallen oder nichtversicherte Schäden an der Immobilie auftreten, muss er – auch das analog zu einem Mietverhältnis – den Eigentümer darüber informieren. Sofern keine abweichenden Regelungen getroffen werden, muss der Nießbrauchnehmer die sogenannten gewöhnlichen Kosten tragen, worunter etwa die Gebäudeversicherung, die Grundsteuer sowie die üblichen Verbrauchskosten wie die Müllentsorgung, die Energiekosten oder Kanalgebühren fallen.
Außergewöhnliche Kosten trägt der juristische Eigentümer
Die sogenannten außergewöhnlichen Kosten hingegen muss der Nießbrauchnehmer nicht tragen. Solche Kosten, beispielsweise für die Instandsetzung des Daches oder die notwendig werdende Erneuerung einer Zähleranlage, obliegen dem juristischen Eigentümer: dem Käufer und somit Nießbrauchgeber. Und damit sind wir auch bei einem bedeutenden Teilaspekt des Immobilienkaufs mit Nießbrauch, nämlich den Eigentumsverhältnissen. Die weisen eine Besonderheit auf:
Der Unterschied: Juristischer Eigentümer und wirtschaftlicher Eigentümer
Die beiden Vertragspartner sind kurioserweise beide Eigentümer, allerdings auf unterschiedliche Weise. Der Käufer – Nießbrauchgeber – ist der juristische Eigentümer. Der Verkäufer – Nießbrauchnehmer – ist der wirtschaftliche Eigentümer. Weshalb diese „kleinkarierte“ Unterscheidung? Nun, klar wird dadurch, dass der Käufer während des Zeitraums des Nießbrauchs – abgesehen von den Pflichten des Bewohners – keineswegs weisungsbefugt ist. Der Verkäufer wiederum hat nicht nur das Recht, die Immobilie zu bewohnen und zu benutzen, stattdessen auch die Pflicht, sie in schadlosem Zustand zu halten bzw. den Käufer über notwendige Instandsetzungen zu informieren.
Ist der Nießbrauch ein faktischer Wert?
Definitiv und das gleich in mehrfacher Hinsicht, allerdings ein zunächst negativ kalkulierter. Faktisch kann der Käufer die Immobilie während der Dauer des Nießbrauchs nicht nutzen. Für die Kalkulation zugrunde gelegt, wird – vereinfacht ausgedrückt – die Höhe der Miete, die nach dem Mietpreisspiegel hätte erzielt werden können. In Korrelation gestellt wird die Miethöhe mit der durchschnittlich erwartbaren Lebensdauer, sofern der Nießbrauch auf Lebenszeit vereinbart wurde. Daraus errechnet wird der Nießbrauchwert.
Eine pragmatische Beispielrechnung zum Nießbrauchwert
Nehmen wir als Beispiel eine Monatsmiete von 1.200 Euro; nach der durchschnittlichen Alterserwartung würde der Nießbrauchnehmer noch 10 Jahre leben. Die vereinfachte Rechnung lautet demnach 1.200 Euro x 12 Monate = 14.400 Euro Jahresmiete x 10 Jahre = 144.000 Euro Nießbrauchwert. Der reale Verkehrswert der Immobilie wird um den Nießbrauchwert reduziert. Der verbleibende Rest – von Nebenkosten abgesehen – ist die auszuzahlende Kaufsumme, die wiederum als Komplett‑, Tranchen- oder Rentenzahlung festgelegt werden kann.
Nießbrauchwert reduziert temporär den Verkehrswert der Immobilie
Tatsächlich bedeutet dieser Abzug, dass der Verkehrswert der Immobilie temporär reduziert wird. Das kann für den neuen Besitzer negative Auswirkungen bei einem etwaigen Weiterverkauf haben, so auch, falls er in wirtschaftliche Schieflage geraten sollte und das Objekt in die Zwangsversteigerung geht. Allerdings werden Immobilien mit eingetragenem Nießbrauch in der Praxis äußerst selten an Dritte verkauft. Ebenso kann der temporär reduzierte Wert sich unter Umständen in fiskalischer Sicht steuerlastmindernd auswirken.
Wann ist Nießbrauch sinnvoll?
Verbleibt die Frage, ob und wann der Nießbrauch sinnvoll ist. Dabei gibt es zahlreiche Situationen und Konstellationen, in denen ein Hausverkauf oder eine Immobilienverrentung unbedingt positiv sein kann. Einer der häufigsten Fälle ist, dass Senioren im Alter 65+ eine ganz oder teilweise abbezahlte Immobilie besitzen, die Rente allerdings dürftig bemessen ist und für die erwünschte finanzielle Beweglichkeit aufgestockt werden soll. Die Besitzer verkaufen das Eigenheim oder die Eigenwohnung und sichern sich zugleich per Nießbrauch das lebenslange Wohnrecht im gewohnten Zuhause, das sie keinesfalls verlassen möchten.
Absicherung von Pflegekosten durch Nießbrauch
Ein aktuell häufig aufkommendes Beispiel ist die finanzielle Absicherung von Pflegekosten. Die Zuzahlungen für die Unterbringung in einem Seniorenheim sind nicht zu unterschätzen. Wer vorausschauend denkt und die Kinder nicht mit diesen über die Zahlungen der Pflegekassen hinausgehenden Beträgen belasten möchte, kann die Immobilie an eine dritte Person vermieten oder verpachten und von den regelmäßigen Einnahmen die Heimkosten ganz oder teilweise abdecken.
Reduzierung von Erbschafts- bzw. Schenkungssteuer durch Nießbrauch
Ebenso bietet sich der Nießbrauch an, um den Nachkommen damit die Zahlung von Schenkungs- oder Erbschaftssteuer zu ersparen. So kann beispielsweise das Haus zu Lebzeiten an ein Kind oder Kindeskind mit eingetragenem Nießbrauch verschenkt werden. Resultat ist, dass der Nießbrauch den realen Verkehrswert senkt, wodurch die Schenkungs- bzw. Erbschaftssteuer deutlich reduziert oder vollkommen ausgeschlossen werden kann.
Wichtig in diesem Zusammenhang: Zu steuerlichen Fragen können und dürfen wir keine konkreten Auskünfte und Ratschläge geben. Stattdessen sollten Interessierte sich von auskunftslegitimierten Stellen entsprechend fachlich beraten lassen.