Sehenden Auges in die Altersarmut oder frühzeitig Eigenverantwortung übernehmen?
Das Rentensystem wackelt aus unterschiedlichen Gründen, von denen etliche seit Jahrzehnten vorhersehbar waren. Die Gründe zu verstehen und auch zu hinterfragen, kann die Augen für Realitäten öffnen. Und nur mit offenen Augen lassen sich stimmige Lösungen finden. Die Politik sucht seit Jahrzehnten und stellt teils kuriose Prognosen in den Raum. In der differenzierten Betrachtung liegen die Wahrheit und die Zukunfts-Chancen:
Aus der rentengesunden Alterspyramide wird ein gedeckelter Trichter
Daran, dass die gesetzliche Rente sicher ist, habe viele hierzulande längst den Glauben verloren. Schon jetzt ist das Rentenniveau im Vergleich mit anderen europäischen Staaten in Deutschland niedrig. Dass die Renten spürbar steigen werden, ist angesichts der sich umkehrenden Alterspyramide eine Illusion, die nur leider selten offen aufgesprochen wird. Indes die Menschen immer älter werden, sinkt die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Die Zeit der Babyboomer-Generation ist längst vorüber. Die einstige Alterspyramide stellt sich auf den Kopf und wird zum Trichter, allerdings einem ohne Öffnung auf der Oberseite. Immer weniger junge Menschen im arbeitsfähigen Alter müssen die Lasten für immer mehr Senioren tragen.
Problematik der Gegenfinanzierung unmittelbarer Umlagesysteme
Tatsächlich spricht man beim Rentensystem von einem Umlagesystem. Grund dafür ist das Prinzip, dass versicherungspflichtige Rentenversicherungsmitglieder gemeinsam mit Arbeitgebern Beiträge in die Rentenversicherung einzahlen und diese Zahlungen nicht langfristig zins- und gewinnbringend angelegt, sondern direkt zur Auszahlung der Renten verwendet werden. Die jeweils arbeitende Generation sorgt solidarisch für die Renten der Eltern- bzw. Großelterngeneration. Insofern ist hier die Rede von der Solidargemeinschaft und dem Generationenvertrag. Fakt bleibt: Das kann nur funktionieren, solange die Einzahlenden überhaupt imstande sind, die rechnerisch zwangsläufig immer höher werdenden Beiträge zur Rentenversicherung zu leisten. Nun entsteht ein Missverhältnis in der Altersstruktur, zumal minderproportional wenige Arbeitende höhere Rentenbeiträge einzahlen.
Von unveränderlichen Bedingungen ausgehendes System per se zum Scheitern verurteilt
Das Rentensystem gibt es schon länger als die Bundesrepublik Deutschland. Eingeführt und verabschiedet wurde das damalige Gesetz zur Alters- und Invaliditätsversicherung bereits 1889 unter Otto von Bismarck. Die Deutsche Rentenversicherung in ihrer heutigen Konstellation wurde dann 1946 aus der Taufe gehoben. Man war hoffnungsvoll, die Trümmer nach dem Krieg mussten aufgeräumt werden. Das Wirtschaftswunder stand vor der Tür und tat sein Übriges. Tatsache aber bleibt, dass dieses System nur bei optimalen Rahmenbedingungen wie endlosem Wirtschaftswachstum und nicht sinkenden Nachwuchszahlen funktionieren konnte und kann. Bedingungen, die wir innerhalb unserer Gesellschaft längst nicht mehr vorfinden.
Globalisierung war nicht absehbar; Stillstand aber nicht annähernd erwartbar
Solange man sich die Kennzahlen der Wirtschaft schönrechnet, wächst sie hierzulande weiterhin, wenngleich moderat. Im globalen Kontext sucht die bundesdeutsche Wirtschaft jedoch nach ihrer neuen und künftigen Identität und ist dabei in etlichen Teilbereichen wie der künstlichen Intelligenz international formvollendet abgehängt. Dass China auch mit der Seidenstraße die Position als global führende Wirtschaftsmacht anstrebt, ist anhand der hiesigen Abhängigkeit von Produkten und Zulieferern aus dem asiatischen Raum unübersehbar. Das Rentensystem aber ist von einer hierzulande fluktuierenden Wirtschaft essenziell abhängig.
Sehenden Augen mit Wirtschaftswunder-Euphorie ein nicht haltbares System etabliert
Die zweite Säule des Rentensystems bleibt das zahlenmäßig stimmige Verhältnis zwischen aktiv Arbeitenden und rentenbeziehenden Senioren. Und dabei spielen neben der Geburtenrate mindestens drei Faktoren eine ausschlaggebende Rolle. Einerseits das Alter für den Renteneintritt, auf der anderen Seite die durchschnittliche Lebenserwartung und schlussendlich die Anzahl der Senioren in Relation zur Menge derjenigen, die umlagebasiert in das System einzahlen. Und dieses Verhältnis stimmt bereits seit Jahren und Jahrzehnten nicht mehr. Diese Entwicklung war nicht nur zu vermuten oder absehbar. Vielmehr ist man bereits bei der Installation des Rentensystems sehenden Auges von goldenen Voraussetzungen ausgegangen, die so niemals Bestand haben könnten. Kurios allemal, möglicherweise auch fahrlässig, weil den gesellschaftlichen Zusammenhang gefährdend. Allein, es fehlte die schlüssige Alternative. Und die fehlt noch immer.
Seit Rentenreform 1992 ist die Rente nicht mehr unantastbar
Über Jahrzehnte hinweg war die Rente unantastbar. Zwar wurde sie zuweilen nur sehr sparsam oder gar nicht erhöht, keinesfalls aber gekürzt. Dann, im Jahr 1992, wurde die Rentenform ausgerollt, woraufhin etliche weitere Reformen folgten. Erstmals und immer häufiger wurden die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung gekürzt. Das Resultat war der Verlust der aus dem Jahr 1957 stammenden „garantierten Lebensstandardsicherung“. Die Folgen haben sich bis heute hochmultipliziert. Von Lebensstandardsicherung keine Spur mehr. Logisch ist, dass die Rentenauszahlungen gegenfinanziert werden müssen. Aus irgendeinem Topf muss das Geld kommen. Gleichermaßen klar ist aber spätestens seit 1992, dass diese Gegenfinanzierung im Argen liegt.
Auch neue Ideen können mangels Finanzierbarkeit so nicht greifen
Zweifellos lassen sich diverse Missstände beklagen; honorige Köpfe treten auch längst mit Ideen wie der Einheits- bzw. Mindestrente an die Öffentlichkeit. Auch bei diesem und ähnlichen Konstrukten verbleibt jedoch der fade Beigeschmack, dass die Mindestrenten sich auf Sozialhilfe-Niveau einpendeln würden. Es ist der Versuch einer Lösung, sicherlich auch ein redlicher. Doch erstens wird damit aus den Rentenzahlungen eher Hartz V, Brocken VI oder Westerwald VII; und zweitens müssen auch diese Gelder erstmal eingefahren werden.
Herausforderung der Eigenverantwortung wird zunehmend bedeutender
Das Fazit kann nur lauten, dass Politik und Gesellschaft angesichts dieser zahlreichen Großbaustellen von einer pragmatischen und funktionierenden Lösung meilenweit entfernt sind. Bereits mit den Rentenreformen wurde immer wieder die Bedeutung der privaten Altersvorsorge betont. Umso wichtiger, als man einer nackten Rentenkasse irgendwann nicht mehr in die Tasche greifen kann. Bei allen vorbildlichen Gemeinschaftsgedanken bleibt es dennoch eine Frage der Eigenverantwortlichkeit, die eigenen Lebensqualität im Alter zu sichern.
Eine der Säulen ist bekanntlich die mietfrei eigenbewohnte Immobilie. Was wäre, wenn das betongolden festgelegte Kapital im Pensionsalter erneut aktiviert, genutzt und damit die Rente aufgebessert werden könnte? Ein solches Modell ist die Immobilienverrentung auf Nießbrauchbasis. Ein Verkauf zu Lebenszeiten mit Einmalzahlung und im Grundbuch an erstem Rang eingetragenem lebenslangem Wohn- und Fruchtziehungsrecht. Wenn die öffentlichen Absicherungssysteme nicht greifen, müssen neue Wege gegangen werden.